Ich wusste sofort wer sie war, als ich das erste Mal bei ihr zu Hause war.
Sie saß ganz aufrecht, sehr gepflegt, klein, zierlich, die weißen Haare bestens frisiert – so kannte ich sie.
Sie fiel mir jede Woche auf dem Markt auf, weil sie eine so gepflegte Erscheinung war.
„Ich war mein Leben lang Unternehmerin" sagte sie zu mir. „Ich lasse mich nicht so schnell unterkriegen"

Wir sprachen nur über Land und Leute, wen man so kannte, wer was so macht. Borbecker Smalltalk.
Viele Geschichten aus der Vergangenheit – nichts über ihre derzeitige Lebenssituation.
Aufrecht ging sie ins Hospiz. Sie entschied den Zeitpunkt. Allein.

Ich fragte vorsichtig nach, ob ich ihr etwas vorlesen sollte. „Lassen sie mal hören" kam als Antwort. Ich suchte Texte aus und sie hörte zu. „Beim nächsten Besuch können Sie wieder einen Text mitbringen".
Machte ich. Einen bestimmten Text musste ich immer wieder lesen. Beim Spaziergang im Garten nahm sie Gedanken aus dem Text auf. Ganz vorsichtig näherte sie sich ihrem Lebensweg. „Vielleicht habe ich mich doch zu viel eingemischt" sagte sie. Sie wurde selbstkritischer und nachdenklicher, dachte viel über ihr Leben nach.

„Ich möchte meine Beerdigung organisieren", sagte sie eines Tages zu mir.
Sie hörte viel Musik und immer wieder „My Way" von Frank Sinatra. Das sollte auf ihrer Beerdigung gespielt werden.
„So war mein Leben" sagte sie irgendwann, „alles Wichtige ist nun organisiert". „Den Rest, muss ich jetzt alleine schaffen. Ich danke Ihnen, dass sie mich besucht haben".
Das war mein letzter Besuch bei ihr. Ihre Beerdigung war ganz genau so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Mit ihrer Musik.

Begleitung: Ursula Inden

Foto: CSE gGmbH