Ach Frau B., für eine Premiere war das doch recht unaufgeregt. Ich hatte mir zumindest mehr vorgestellt oder vielleicht doch nur anderes. Trotzdem aber habe ich für mich durchaus sehr positive Momente mitgenommen.
Das Leben hing nicht mal mehr an einem seidenen Faden. Ich hatte das Gefühl, als sei da bereits eine Region erreicht, die deutlich zwischen Leben und Tod lag, wobei der Tod unzweifelhaft näher war als das Leben. Es waren ruhige, bedachte Momente, in denen ich spürte, dass da bei Ihnen in unserer Zweisamkeit ein Erkennen der Nähe eines anderen Menschen war, ohne dass Sie mich als Person wahrgenommen haben. Der Atem ging langsam, mitunter röchelnd, aber doch immer wieder ruhig werdend, mit Aussetzern, die mehrfach Unendlichkeiten zu dauern schienen. Wie schön, dass es in diesen Augenblicken aber auch keine Panik oder Angst zu geben schien. Man ist ja gerne geneigt anzunehmen, dass die sterbende Person, da so gar nichts mehr mitbekommt. Den Eindruck hatte ich allerdings wahrlich nicht. Ich habe sehr wohl bemerkt, dass sie die Geschichte, die ich Ihnen erzählt habe, aufgenommen haben. Leider haben wir nicht die Möglichkeit gehabt, uns noch über diese Geschichte zu unterhalten.
Und bei aller Grausamkeit des Momentes, der mir doch unvermittelt vor Augen führte, dass ich tatsächlich mit einem Menschen zusammen in einem Raum war, der unmittelbar vor seinem Ableben stand, war da doch ein Ausdruck von Friedfertigkeit, Ruhe und Gelassenheit zu spüren.
Liebe Frau B., leider hat es nur zu einem einzigen gemeinsamen Termin gereicht. Ich hätte mir durchaus auch mehr vorstellen können und gewünscht. Ich danke Ihnen, dass Sie mich in meiner Begründung, weshalb ich da überhaupt in der Hospizarbeit mitmache, bestärkt haben. Kein Mensch sollte allein sterben (müssen)!
Farewell Frau B.! Alles ist gut!
(Michael Meyers)